2014/06/18

i n d e r d u n k e l h e i t s p u e r t m a n d i e e i n s a m k e i t

V o r g e s t e r n. Vorgestern haette ich dich gebraucht.
Und dann stand ich da, auf unserem Platz, mit traenenueberstroemten Gesicht und Wimperntusche in beiden Handflaechen. Je mehr Treppenstufen ich hinunterlief, desto weniger war noch von mir uebrig. Mit jedem Schritt verlor ich mich. Ich hatte auf jeder Stufe etwas von mir zurueckgelassen, Schutzhuellen abgelegt und sture Logik ueber Bord geworfen. Und als ich dann auf unserem Platz stand, mit der Angst zu ersticken, war ich nichts mehr. Ich war leer, komplett leer und nur noch ein Schatten meiner Selbst. Unser Platz, so kahl und leer, hatte komplett an Leben verloren die letzten Jahre. Ich war umgeben von Straeuchern und Mauerkalk und ich wollte nach dir rufen, deinen Namen in den Wind schreien. Aber meine Stimme hat versagt, nur ein schwaches Fluestern und eine Atemwolke hab ich zustande gebracht. Dann hab ich mich auf die kalte Bank gesetzt, mich an die Mauer gelehnt und an das Gestruepp und mein Gesicht in meine Haende vergraben. Ich konnte doch nicht die Fassung verlieren, dachte ich mir. Ich hab geschluchzt, ganz laut und dann wieder leise, voellig ungleichmaeßig und dann hab ich versucht mich zu beruhigen, mich zusammen zu reißen, ruhig zu atmen, um nicht zu ersticken. Ich war so wuetend, so unfassbar wuetend und enttaeuscht von mir selbst, das ich das kaum aushielt. Ich hab meinen Schreibblock rausgekramt, um ihn gleich wieder beiseite zu legen. Ich wollte schreiben, all das aufschreiben, was mich jetzt rettten wuerde und wofuer ich gerade sterbe. Alles, was du jetzt hoeren solltest, wenn du nur hier waerst, alles, was ich dir sagen will. Ich wollte schreiben fuer ein paar Krater und fuer die Risse in meinem Fundament. Mit bleichen, schweren Augenlidern blicke ich auf dieses Stueck Beton und hoffe, dass du um die Ecke kommst. Genau dort um die Ecke wie vor ein paar Jahren auch. Ganz langsam und still aus dem Nebel trittst und mich mit schiefem Kopf anschaust. Dein Kopf nur zur Seite geneigt und deine Augen voller Waerme, Gefuehl und Halt. In deinen Augen haette sich das Leben gespiegelt und die Hoffnung haette gefunkelt. Dein Blick waere nicht mehr so muede und leer. Du waerst mein Anker gewesen auf hoher See und mein Netz, das mich auffaengt, wenn ich stuerze. Du waerst mein Boden gewesen, mein doppelter Boden und mein Leuchtstreifen am Nachthimmel. Du haettest mich da rausgeholt, aus dem Tal der Traenen, aus dem tosenden Meer. Das haettest du, wenn du da gewesen waerst und mich ganz fest gehalten haettest, mich gedrueckt haettest gegen deine Brust, so fest, dass ich mich wieder fuehle. Dass ich meinen Koerper wieder spuere. Du haettest den Regen gestoppt und schreiende Winde erstickt. Du haettest graue Wolken beiseite geschoben. Ich haette wieder geglueht, geleuchtet. Ich waere nicht mehr Nichts. Ich waer ein bisschen Licht, ein Flackern im Dunkel und ein wenig Kerzenschein fuer die Nacht. Das alles waere ein Idyll gewesen. Ein Idyll in diesem so bedrueckenden und stillen Ort. Du warst nicht da, und die Traurigkeit, die stieg mir einfach in die Augen, fraß mich auf. Die staubige Straßenecke blieb seelenlos und alles brach in mich hinein. Ich musste mich selbst aufrappeln, ohne eine Schulter zum Anlehnen und ohne eine helfende Hand, die mir aufhilft. Dann hab ich mich aufgerappelt, das Salz von den Wangen gewischt, die feuchte Erde und das Moos von den Haenden abgewischt, den Kiesel in der Kniewunde rausgepult und bin aufgestanden und bin gelaufen. Gelaufen, mit blutenden Aufschuerfungen und Stiche in der Brust. Ich haette meine Gefuehle herumgetragen wie einen Zahnschmerz, waere verloren gegangen im Nebel, im Licht oder im Meer. Aber ich waere gelaufen, einen Fuß vor den anderen gesetzt, mit ein paar Gramm Hoffnung weniger und einer zerrissenen Hose, aber ich waere gelaufen. Ich haette mich noch einmal umgedreht, um nach dir zu sehen, ob du vielleicht mit ein bisschen Verspaetung herrennst. Ich schaue dem Farbenfinale des Herbstes noch einen Augenblick zu, schließ die Augen, nehme einen Atemzug, laufe aus der Glut, den eisigen Lichtern und dem verborgenen Gefuehlen, verlasse unseren Platz, an denen sicht Rosen ins Dunkle graben und Erdreiche Geschichten verborgen haelt. Ich haette mit einem mueden Laecheln, mit diesem Laecheln, das man macht, wenn man eigentlich weinen will, angesehen, was am Boden liegt. Ich lasse drei Kuesse hier. Drei Kuesse fuer deinen Mund, fuer deine Stimme, fuer deine Gestalt. Ich hinterlasse ein paar Blutflecken, eine Kleinigkeit an Gefuehl, ein Gramm Hoffnung, einen Traum und einen Loeffel Honig, damit das hier nicht allzu bitter ist. Ich lasse mich hier, einen Teil von mir zurueck, damit du weißt, ich war hier. Damit du mich findest.

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