2014/06/18

y o u f e e l l i k e h o m e


Du bist wie nach Hause kommen, weißt du das? Du bist das kleine Haeuschen hinter dem hohen Zaun mit verdorrten Blaettern, vertrockneten Pflanzen und verwelkten Blueten. Du bist das Zuhause mit dem aermlichen Beet, mit der Holzscheune hinter dem Hof und der Ueberdachung mit den angenagelten Handschuhen, den verbogenen Rechen, den robusten Harken und den rostigen Astscheren in den Plastikeimern und Schubladen unter dem morschen Holz. Du bist die schwere Tuer mit der borstigen Fußmatte und dem Briefkasten der immer quietscht, wenn man ihn oeffnet. Manchmal wenn ich nach Hause komme und es draußen eisig ist, dann hast du schon alle Heizungen aufgedreht und Brennholz in den Kamin geworfen. Im Wohnzimmer riecht es nach Zimt und Vanille - Duftkerzen und Leuchtsilhouetten haengen vor den Fenstern. Der Tisch ist gedeckt und die Flammen des Kerzentabletts flackern mit dem Funkeln der handbemalten Christbaumkugeln um die Wette. Die Musik ist leise aufgedreht und ich hoere das Xylophon im Hintergrund, die klaren Toene einer rauf und runter gespielten Tonleiter. Ueberall im Stockwerk riecht es nach Nadelbaeumen, Plaetzchen mit bunten Streuseln und Waffeln mit extra viel Puderzucker - so wie ich es so gern hab. Auf dem Teller liegen Lebkuchen und Butterspekulatius, weil ich den Geruch so sehr liebe und 2 Tassen mit sueßen Punsch. Der Nussknacker liegt neben den Walnuessen und draußen liegt dicker Schnee auf dem Fensterbrett. Auf der ausziehbaren Couch liegen ganz viele Kissen, Salzstangen und eine weiche Fleecedecke. Ich lege die Schluessel in die Kommode, haenge meine warme Winterjacke an den Kleiderhaken und klopfe den Schnee von den Stiefeln. Du legst deine Arme um mich und nimmst mir die Kaelte, ich bin endlich zuhause im Warmen, eine wuchtige Holztuer trennt mich von dem bitterkalten Draußen und von Menschen, die Masken tragen. Ich bin endlich daheim, du bist hier und ich bin hier und es duftet nach Liebe, in jedem Loch Liebe, auf jedem Regal Liebe, unter dem Stuhl, an den Staubkoernen haengt sie, wiegt sich im sanften Kerzenschein und in der Ecke steht sie auch. Wir schrauben die Uhr auf und holen die Batterien raus, die Zeit soll doch bitte mal stehen bleiben, sie darf nicht weiterlaufen. Hallo Uhr, leg doch mal 'ne Pause ein. Und manchmal, da komm ich nach Hause und es ist schrecklich still. Keine Menschenseele sitzt in den vier Waenden und ich hoere kein Atmen. Ich sehe nur Fußspuren aus Matsch entlang des Flurs und die Tuer steht halb offen. Das Haus ist tot, man spuert das, wenn schon lange niemand mehr dagewesen ist. Dann tapse ich leise in unser Zimmer, schiebe die Glastuer vorsichtig auf und mein Blick faellt auf das Bett. Die Bettdecke ist nicht zusammengelegt, die Bettlake ist laengst nicht mehr ueber die Matratze gespannt. Das Kopfkissen liegt umgekehrt auf ihrem Platz und auf dem Bett ist eine tiefe Kuhle. Du hast wohl schlecht geschlafen, denke ich mir.

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Ich kaempfe mich durch den Raum und ueberall liegen  Briefe,  karierte  Blaetter,  verknickt  und   mit   Eselsohren, teilweise angebrannt und vergilbte Fotografien. Sie sind verstreut ueber den ganzen Fußboden. Der Schrank steht offen, deine Klamotten liegen uebereinander, du hast die fein saeuberlich zusammengelegten Kleiderstapel umgeworfen in der Eile. Offene Schubladen mit heraushaengenden Socken und ein Chaos ist das, was du zurueckgelassen hast. Dann hetze ich raus in die Kueche. Vielleicht liegt ja auf dem Kuechentisch eine Nachricht fuer mich. Ein Notizzettel oder ein Papierschnipsel, auf dem geschrieben steht, wo die Richtung ist, in die du gelaufen bist oder wann du wieder kommst. Da ist nichts, nur ungespueltes Geschirr, Besteck liegt verstreut auf der Herdplatte und im Spuelbecken. Auf dem Porzellanteller liegen noch Brotkruemel und ein Fleck Marmelade. 'Wie lange steht das Haus schon leer?', frage ich mich. Ich komm nach Hause und die Vorhaenge sind nicht mehr an den Halterungen befestigt und die Gardinenstange haengt schief. Schiefe Mauern und eine dicke Staubschicht auf den Moebeln. An der Decke haengen ueberall Spinnennetze, der Putz broeckelt von der Wand und die gestrichene Farbe verblasst. Das Telefon ist ausgesteckt und ich kram meinen waermsten Pullover raus, der mit den groeßten Maschen und dem Rollkragen, weil ich kein Brennholz mehr hab fuer den Kamin. Ob du den Kompass mitgenommen hast, wundere ich mich. Du, du musst doch nach Hause finden! Ich blicke aus dem Fenster und dort draußen teilt sich der Himmel in verschiedene Grautoene die sich selbst uebermalen  und  vermischen. Der Morgengrauen. Der Tau umgibt die Grashalme, huellt heruntergefallene Blaetter feucht ein. Ich setze mich auf den kalten Marmorboden und hoere nur den Wasserhahn tropfen. Ich wuehle in dem Erste - Hilfe - Kasten und suche nach einer Salbe, die den Schmerz lindert. Irgendwas muss doch die Wundheilung beschleunigen koennen! Wo ist das Pflaster fuer meine Aufschuerfung, es muss aufhoeren zu brennen. Weil ohne dich ist in mir eine Aushoehlung, eine Vertiefung, eine Furche, eine Mulde, ein Hohlraum, ein riesengroßes klaffendes Loch, das mir ins Gesicht schreit und egal wie sehr ich versuche wegzuhoeren und egal wie kraeftig ich mir die Ohren zuhebe, ich verlier zuviel Blut. Ich halte das nicht aus, denke ich. Dann laufe ich wieder in die Kueche. Ich brauche einen Kamillentee, so heiß wie moeglich. Mit der Teekanne hocke ich mich an den Holztisch, der schon ein bisschen wackelt und warte. Wenn der Tee leer getrunken ist, wirst du wieder da sein, hoffe ich. Die Zeit dehnt sich aus und ich sitze nur da und warte darauf, dass du nach Hause kommst. Und dann ziehen die Monate ins Land und irgendwann, als ich mir das letzte bisschen Tee in die Tasse schenke, da klimpern die Muscheln an meinem Windspiel und ich spuer einen kurzen Windstoß auf meiner Haut. Du klingelst Sturm, dann faellt dir ein, dass du doch einen Schluessel hast. Dann lausche ich nur dem Drehen des Schluessels im Schloss und die tretest ein. Du willst doch sicher was Warmes. Komm setz dich zu mir an den Esstisch. Ich haenge einen Teebeutel in die Tasse und der Wasserkocher brodelt. 'Als du gegangen bist, da bin ich erstickt.', liegt mir auf den Lippen. 'Wunden aufreißen und gleichzeitig das Pflaster sein. Das war schon immer dein Spezielgebiet. Darin schlaegt dich niemand.', moechte ich dir sagen, aber ich schweige nur und meine Stimme versagt. Ich will mir nicht eingestehen, wie oft ich sterbe wegen dir. Ich blute so oft wegen dir, weißt du. Dann stell ich dir den Tee hin. Ich hab einen riesigen Vorrat an Teebeuteln gekauft. Trink deinen Fruechtetee aus, aber geh nicht, wenn er kalt geworden ist. Bleib doch,

bleib doch mal ein bisschen
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